Ricarda-Huch-Schule
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„Zwischen Lüge und Zorn“ – ein besonderes Zeitzeugengespräch zur Geschichte der DDR

Siegfried Wittenburg beim Vortrag u?ber den realen Sozialismus
Siegfried Wittenburg mit Bild vom Brandenburger Tor nach der Wiedervereinigung

Am Montag, den 20. Juni 2022 erzählte der Fotograf, Zeitzeuge und Autor Siegfried Wittenburg zwei 10. Klassen der Ricarda-Huch-Schule in der Stadtbücherei Sprendlingen anhand eigener Fotografien aus seinem persönlichen Leben in dem „real existierenden Sozialismus“ der DDR unter sowjetrussischem Einfluss. Dabei zeigte er die Kluft zwischen der Propaganda und der Realität immer wieder an konkreten Beispielen auf und beschrieb das Alltagsleben und die Wirkung der Lügen, die durch die staatlichen Medien verbreitet wurden. Hierbei wurde auch deutlich, dass er selbst sich dem Leben in einer Diktatur durchaus bewusst war. Sein eigener Bruder ist in den Westen noch vor dem Mauerbau gegangen. Er selbst entschied sich zu bleiben, versuchte dabei seinen eigenen Anschauungen treu zu bleiben und vorhandene oder mögliche Nischen zu nutzen. So konnte er ein Eintreten in die Partei aufgrund von ausgeübtem Druck seines damaligen Chefs auf der Werft verhindern. Dies hatte lediglich zur Folge, dass dieser negativ der Stasi gegenüber über Siegfried Wittenburg berichtete. Während seines Vortrages kommt er immer wieder auf zentrale historische Ereignisse, wie den Volksaufstand 1953, den Mauerbau 1961 oder die Friedliche Revolution 1989 zu sprechen und flechtet seine eigenen Erfahrungen und sein Mitwirken an der Revolution 1989 mit ein. Vor allem aufgrund einer Reise, die er mit seiner damaligen Lebensgefährtin gemacht hat, wird er sich den negativen Folgen des realen Sozialismus bewusst und beginnt, dies fotografisch festzuhalten. Er selbst beschreibt, dass es eine „Sehnsuchtskultur“ gegeben habe. Gerade die aktuellen Entwicklungen des Ukraine-Krieges haben ihn veranlasst, auch diesen immer wieder einfließen zu lassen. Die heutige Ukraine lag lange Zeit ebenso im Einflussgebiet der Sowjetunion und hat sich während des Endes der Sowjetunion hiervon befreien können. Nun kämpfe sie nach Wittenburg für den Erhalt ihrer Freiheiten. Dabei verwies er immer wieder darauf, wie leicht durch die neuen Medien die Beeinflussung, Lenkung und Lügenpropaganda funktionieren könne und verglich es mit einer freien Pressearbeit.

(Verfasserin: Myriam Andres, Juni 2022)

Jedes Schicksal ist wichtig

Cornelia Rühlig erläutert vertiefend
Eva Szepesi bei ihrem Bericht
Präsente für Cornelia Rühlig links und Eva Szepesi rechts
 

Eva Szepesi erzählt ihre Schicksalsgeschichte im Nationalsozialismus

Am Donnerstag den 30. Juni 2022 haben sich drei Kurse der Einführungsphase mit der Geschichte und der Aufarbeitung des ehemaligen Außenlagers Walldorf beschäftigt. Dieses Außenlager wurde nur kurzzeitig eingerichtet, damit 1700 ungarische Jüdinnen auf dem nahegelegenen Flughafen eine betonierte Rollbahn errichten sollten. Deren Bau wurde als kriegsentscheidend eingestuft, weshalb die Frauen aus Auschwitz nach Walldorf kamen, um hier unter unmenschlichen Umständen zu arbeiten und zu leben. Eine Vorbereitung des Seminartages fand innerhalb des Unterrichts statt. Im Rahmen des Seminartages vor Ort berichtete Eva Szepesi ihre Lebensgeschichte und das ihrer Familie. Sie selbst war vor der Deportation als junges Mädchen mit ihrer Tante geflohen, wurde jedoch selbst doch noch deportiert. Ihre Mutter und ihren Bruder, auf die sie immer wartete, schafften eine Flucht jedoch nicht mehr. Sie kam nach Auschwitz und überlebte dort nur knapp die Lagerhaft. Ihr Bericht berührte die Schülerinnen und Schüler sehr und zeigte erneut, dass jedes einzelne Schicksal sehr persönlich, individuell und wichtig ist. So hatte Eva Szepesi ihre Kindergärtnerin auf dem Foto des Margit-Horváth-Zentrums erkannt, nachdem diese verstorben war. Sie wusste bis dahin nicht, dass diese im Walldorfer Lager inhaftiert war. Die jungen Menschen beendeten ihre Auseinandersetzung mit weiteren Berichten Überlebender über die Dinge, die im ehemaligen Küchenkeller des Lagers stattgefunden haben, im heute zugänglichen Teil des Zentrums. Wir sind froh, dass wir dieses Zentrum mit unseren Gruppen besuchen konnten und überreichten nach der Lesung einen Blumenstrauß sowie Büchergutscheine an Eva Szepesi und Cornelia Rühlig, Vorstandsvorsitzende der Margit-Horváth-Stiftung.

(Verfasserin: Myriam Andres, Juni 2022)

Die Neue Rechte und ihr Bezug zum Nationalsozialismus

Rednerin Katrin Himmler
Katrin Himmler beim Vortrag

Katrin Himmler, Großnichte von Heinrich Himmler, im Gespräch mit Oberstufenschülerinnen und -schülern

Am 23. Mai 2022 jährte sich der Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland – ein guter Anlass, um sich für demokratische Grundsätze und Ziele einzusetzen und sich mit der „Neuen Rechten“ und ihrem ‚Rassismus ohne „Rassen“‘ zu beschäftigen. Differenzen zwischen Ethnien werden nun an dem Begriff der „Kultur“ festgemacht, Die „Neue Rechte“ möchte unsere demokratische Gesellschaft im Kern verändern und nutzt dafür die Stimmung der „Wutbürger“ oder die Proteste der „Querdenker“. Am 24. und 25. Mai 2022 fanden daher im Margit-Horváth-Zentrum bzw. in der Stadtbücherei Sprendlingen zwei Veranstaltungen statt, die durch zwei Grundkurse des 12. Jahrgangs der Ricarda-Huch-Schule vorbereitet wurden.

Katrin Himmler, Politikwissenschaftlerin, Autorin und Großnichte Heinrich Himmlers, stellte eingangs Thesen zu den „Neuen Rechten“, Parallelen und Differenzen zur NS-Geschichte vor 1933 und der eigenen Familiengeschichte vor.  Anschließend richteten Schüler*innen der Ricarda-Huch-Schule in einem Podiumsgespräch erste Fragen an sie. Dafür haben sie sich intensiv mit Ausschnitten aus Reden, wissenschaftlichen Texten und aktuellen Artikeln sowie Ausschnitten aus der NS-Propaganda vergleichend beschäftigt sowie mit Ausschnitten aus den Werken Katrin Himmlers zu den „Brüdern Himmler“ und „Himmler privat“, um selbst Parallelen und Verknüpfungsstellen zu erkennen. Hieraus sind zahlreiche Fragen entstanden, wovon lediglich ein kleiner Anteil innerhalb der beiden Veranstaltungen zum Tragen gekommen sind. Die Fragen waren durchaus komplex und haben zur weitergehenden Beschäftigung angeregt, wie auch Katrin Himmler nach den Veranstaltungen selbst konstatierte.

Allen Beteiligten gemeinsam ist das Anliegen, wachsam zu sein gegenüber rechten Tendenzen, darauf aufmerksam zu machen und den jungen Menschen eine Hilfestellung an die Hand zu geben. Als Fazit der Veranstaltungen kann allerdings festgehalten werden, dass die Bundesrepublik Deutschland eine wesentlich gefestigtere Tradition hat und es derzeit sehr positive Entwicklungen im Kampf gegen Rechtsextremismus gibt.

Die Veranstaltungen fanden mit der freundlichen Unterstützung der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, dem Verein der Freunde und Förderer der Ricarda-Huch-Schule, der Margit-Horváth-Stiftung sowie der Stadtbücherei Dreieich-Sprendlingens statt.

(Verfasserin: Myriam Andres, Mai 2022)

Wenn einem durch den eigenen Vater Lebenszeit verloren geht…

Blick ins Publikum
Zeitzeugen 2021_Thomas Raufeisen beschreibt seine Ausbildung (Foto: M. Hausmann)
Thomas Raufeisen mit der angemalten Handgranate für den Sportunterricht

Thomas Raufeisen berichtet den Schülerinnen und Schülern der Q3 wie er durch den eigenen Vater in die DDR entführt wurde und die dortige Zeit als „verlorene Lebenszeit“ empfindet

Am 18. November 2021 nimmt Thomas Raufeisen die Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs der Ricarda-Huch-Schule auf eine Reise mit in seine eigene, ganz persönliche Vergangenheit. Er berichtet, wie er in der Bundesrepublik Deutschland aufwächst und mit 16 Jahren durch den eigenen Vater 1979 unter einem Vorwand in die DDR entführt wurde. Dabei spannt er einen Spannungsbogen, in dem er auch immer wieder deutliche Vergleiche zwischen dem Leben in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zieht. Sein Vater muss die Bundesrepublik verlassen, da er als Spion für die Stasi in der Wirtschaft gearbeitet hat und durch die Flucht eines Stasi-Offiziers in den Westen drohte aufzufliegen. Daher nimmt sein Vater kurzerhand unter dem Vorwand, dass es dem Großvater von Thomas nicht gut gehe, die gesamte Familie und reist in die DDR. Erst vor Ort wird Thomas und seinem Bruder die Wahrheit des Reisegrundes mitgeteilt. Sein Bruder verweigert allerdings den Verbleib, da er bereits volljährig ist und das Glück hat, von der Familie seiner Freundin aufgenommen zu werden, und reist zurück nach Hannover. Thomas bleibt keine Wahl. Er muss mit seinen Eltern in Ostberlin verbleiben, darf dort sogar auf eine Oberschule gehen und lernt rasch die großen Unterschiede des Lebens zwischen West und Ost kennen. Er schließt die Schule jedoch nicht ab, erkennt rasch, dass er immer und überall „Außenseiter“ ist und passt sich ebensowenig an. Er beginnt eine Ausbildung. Versuche der Familie, eine Rückkehr in den Westen zu erreichen, scheitern. Selbst als Thomas erkennen muss, dass das DDR-Recht von Jugendlichen ab 14 Jahren das Einverständnis zur Einbürgerung verlangt, bringt ihn dies seinem Ziel der Rückkehr in den Westen nicht näher. Nach geraumer Zeit versucht die Familie sogar aus der DDR zu fliehen, was dazu führt, dass alle drei Familienmitglieder verhaftet und inhaftiert werden. Ein Freikauf durch den Westen findet nicht statt, sowohl Thomas Raufeisen als auch seine Mutter müssen die volle Haftzeit absitzen. Am Ende waren es sieben Jahre, weil er - wie er es selbst beschreibt - nach seiner Rückkehr in den Westen wieder neu ansetzen musste und ihm somit diese Jahre „verloren“ gingen. Er hätte diese Zeit gerne anders und umfassender als Lebenszeit nutzen wollen.

Die besondere Geschichte von Thomas Raufeisen fesselt die Schülerinnen und Schüler über den gesamten Zeitraum der Veranstaltung und der Zeitzeuge beantwortet offen und in sehr wohl überlegter Weise die Nachfragen, Rückfragen und Verständnisfragen der jungen Menschen und ist auch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung noch bereit, einzelne Fragen zu beantworten.

Die Möglichkeit, einen Zeitzeugen real zu treffen und die persönliche Geschichte zu erfahren, ist gerade auch in diesen Zeiten etwas besonderes und kam bei den Schülerinnen und Schülern sehr gut an. So beschreibt es Philipp beispielsweise im Rückblick wie folgt: „Die Zeitzeugenveranstaltung war ein voller Erfolg, Thomas Raufeisen hat einen Spannungsbogen aufgebaut, der bis zum Ende nicht abbrach. Durch Vergleiche zu unserem heutigen System und Exkurse über generelle Zustände in der DDR blieb man stets dabei und wollte gebannt mehr erfahren. Zudem lieferte die Möglichkeit, jederzeit eine Frage zu stellen, eine gewisse Interaktion mit dem Zeitzeugen, die einen noch tiefer in seine Welt hat eintauchen lassen.“

Wir danken daher der Deutschen Gesellschaft e.G. sehr für die Ermöglichung, die Finanzierung und Durchführung der Veranstaltung sowie dem Moderator Alesch Mühlbauer, auch für seine Fotos.

(Verfasserin: M. Andres, 12/ 2021)

„Keiner kann es besser veranschaulichen als Zeitzeugen“

Zeitzeugin Edith Erbrich

Edith Erbrich spricht über ihre Erlebnisse während der Bombardierung Frankfurts und über das Schicksal ihrer Familie im Nationalsozialismus.

Edith Erbrich war an zwei Tagen für die Klassen der 9. Jahrgangsstufe an der Ricarda-Huch-Schule, um den Schülerinnen und Schülern über ihre Erlebnisse während der Bombardierung Frankfurts im Zweiten Weltkrieg und über das Schicksal ihrer Familie im Nationalsozialismus zu berichten. Gerade nach den Eindrücken von der Zweitagesexkursion nach Weimar und der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald war die Schilderung der Zeitzeugin für alle anwesenden Personen besonders beeindruckend und berührend. Und auch sie selbst betont immer wieder, dass die Schilderung von Zeitzeugen immer eine ganz andere Wirkung hat als dies die Schulbücher vermögen. Die Wahrheit, die von den Zeitzeugen berichtet wird, könne nicht geleugnet werden, so betont es Edith Erbrich am Ende der Veranstaltung erneut. Gerade vor dem Hintergrund, dass es kaum noch Zeitzeugen zum Nationalsozialismus gibt, die in Schulen über ihr persönliches Schicksal berichten, waren wir besonders froh, in diesem Schuljahr Edith Erbrich wieder einmal begrüßen zu können! Die historischen Hintergründe und die Ungeheuerlichkeiten des Nationalsozialismus werden kaum anschaulicher für junge Generationen als wenn sie es mit Einzelschicksalen verbinden können!

Edith Erbrich wird 1937 geboren und lebt mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester in Frankfurt am Main. Die Eltern leben laut den Nationalsozialisten in einer „Mischehe“, weil der Vater jüdisch und die Mutter Deutsche ist. Somit erleben sie die Ausgrenzung, Diffamierung und Schmähungen genauso wie alle anderen, aus rassischen Gründen ausgegrenzten Personen. Während der Luftangriffe durch die Alliierten wird ihr Haus bombardiert und zerstört, was die Familie zum Glück überlebt. In die Luftschutzbunker dürfen sie nicht, weil sie „jüdisch“ sind, sie können aber in ihrem Keller den Angriff weitgehend unbeschadet überstehen. Im Frühjahr 1945 erhalten sie dann die schriftliche Aufforderung, dass sich ihr Vater mit den beiden Töchtern für den Transport bereitmachen soll. Und das obwohl die Alliierten schon überall auf dem Vormarsch waren. Sie werden in Viehwaggons nach Theresienstadt deportiert, in Frankfurt noch von der Mutter getrennt und bei ihrer Ankunft auch von ihrem Vater. Der Aufenthalt in Theresienstadt ist geprägt von Hunger, Angst und Pein durch die Aufseherinnen. Einen Tag vor ihrem geplanten Transport nach Auschwitz wird Edith Erbrich, ihre Schwester und ihr Vater befreit und können den beschwerlichen Weg nach Hause antreten, wo sie glücklicherweise ihre Mutter wiedertreffen, die die gemeinsam bewohnte Mansardenwohnung nicht verließ. Und ein weiteres Glück für die junge Edith war die Geburt ihres kleinen Bruders. Ihre Schwester und sie gehen zur Schule, versuchen den verlorenen Unterrichtsstoff aufzuholen, machen ihren Schulabschluss und erlernen Berufe. Zeit ihres Lebens ist die Familie für sie das Wichtigste geblieben und erst nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben fängt Edith Erbrich an, über ihr Schicksal zu sprechen und in Schulen zu gehen, um die Erinnerung wach zu halten – auch die Erinnerung an die einzelnen „Helfer“, die es in ihrem Leben unter dem Nationalsozialismus gegeben hat.

(Verfasser: M. Andres, 23.05.2017)

Wie werden Menschen zu Massenmördern: Heinrich Himmlers Großnichte stellt sich Fragen der RHS Schüler

Katrin Himmler stellt sich den Fragen
RHS Schüler bei der Veranstaltung mit Katrin Himmler

Katrin Himmler stellt sich offenherzig den Fragen der Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs. Begleitet wurde sie von Cornelia Rühlig von der Margit-Horváth-Stiftung

Wie werden Menschen zu Massenmördern oder die Frage nach dem Umgang mit der eigenen Familiengeschichte

Mit diesen Fragen haben sich in den letzten Wochen rund 45 Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs der Ricarda-Huch-Schule sehr intensiv in einem kursübergreifenden Projekt zum Thema „NS-Führungspersonen und der Umgang mit der NS-Vergangenheit durch die Nachfahren“ beschäftigt. Das Projekt griff beispielhaft Heinrich Himmler, Hans Frank und Hermann Göring heraus und basierte auf einer Art literarisch-historischen Quellenarbeit. Die einzelnen Kleingruppen beschäftigten sich anhand von Ausschnitten aus verschiedenen Werken von Nachfahren der genannten NS-Funktionäre oder über Interviews und Erfahrungsberichte mit Nachfahren der Personen mit den Biografien der einzelnen Personen, ihren Aufgaben und Verflechtungen mit dem Nationalsozialismus sowie dem speziellen Umgang innerhalb der Familien mit diesem Teil der Familiengeschichte.

Ein besonderes Highlight dieser vertiefenden Unterrichtsreihe stellte sicherlich der Besuch Katrin Himmlers, der Großnichte von Heinrich Himmler, Anfang Februar 2016 dar, bei dem die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit hatten, ihre zuvor erarbeiteten sowie spontanen Fragen an Katrin Himmler zu stellen. So wurde Katrin Himmler unter anderem gefragt, inwieweit der Name „Himmler“ ihr negative Erfahrungen beschert habe und ob sie darüber nachgedacht habe, diesen Namen abzulegen. Katrin Himmler stellte sich offen und aufrichtig allen gestellten Fragen und antwortete hierauf, dass eigentlich weniger andere Personen mit ihrem Nachnamen direkt die Verbindung zu Heinrich Himmler herstellten, sondern eher ihr persönliches Gefühl früher dafür sorgte, sich in gewisser Weise verantwortlich zu fühlen. So hat sie in der sehr intensiven Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte sowie der Arbeit an den Briefen Heinrich Himmlers mit seiner Familie einen Weg gefunden, die eigene Familiengeschichte genauestens zu recherchieren, möglichst tiefgehend zu analysieren und sieht auch darin ihre Verantwortung im Hinblick auf eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Verflechtung der eigenen Familie. Auf die Frage, ob (humanistische) Bildung eigentlich nicht vor eine Radikalisierung schützen könne, erklärte sie sinngemäß, dass zum einen das Verständnis von „humanistischer“ Bildung zu Beginn des 20. Jahrhundert noch ein anderes gewesen sei als dies heute ist, wo unter Humanismus eben auch „Menschenwürde“ und „Menschenrechte“ zu verstehen ist. Zum anderen sieht sie die Prägung und die Vermittlung gewisser Werte durch das Elternhaus als einen viel bedeutenderen Aspekt an als eine schulische Bildung.

 Diese Unterrichtsstunden bleiben wohl allen Schülerinnen und Schüler noch lange im Gedächtnis und haben diese nachhaltig beeindruckt, auch wenn die Zeit nicht reichte, um wirklich alle Fragen loszuwerden. Katrin Himmler, die ihre eigene Familiengeschichte auf sehr wissenschaftliche Art und Weise aufgearbeitet und in mittlerweile zwei Werken aufbereitet hat, beeindruckte vorwiegend durch ihre Kompetenz, ihr sehr detailreiches Wissen und die differenzierte Darlegung ihrer Ansichten. Sie verdeutlichte immer, welche Aussagen durch Belege unterfüttert werden können und an welchen Stellen sie Vermutungen anstellen muss. Diese Veranstaltung wurde den Schülerinnen und Schülern durch die Margit-Horváth-Stiftung ermöglicht, die Katrin Himmler einlud und die Termine koordinierte. Ein weiterer Dank unsererseits richtet sich an die Stadtbücherei Sprendlingen, die uns den Galerieraum für die Veranstaltung zur Verfügung stellte.

(Verfasserin: M. Andres, 17.02.2016)

Am 70. Jahrestag des Kriegsendes halten wir die Erinnerung wach

Leslie Schwartz und Klaus Müller

70 Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und dem Ende des Zweiten Weltkrieges berichtet der Auschwitz-Überlebende Leslie Schwartz Schülerinnen und Schülern der Ricarda-Huch-Schule von seinem Schicksal

Genau zum 70. Jahrestag der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und somit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes ist es uns in enger Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde und Förderer der Ricarda-Huch-Schule und dem Verein Gegen Vergessen Für Demokratie e.V., Sektion Südhessen, gelungen, für die Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen einen der letzten, noch lebenden Zeitzeugen an die Schule einzuladen.

Leslie Schwartz (Laszlo) wurde 1930 als ältester Sohn ungarischer Juden in einer Kleinstadt geboren und erlebte als Junge Diskriminierung sowie Ausgrenzung in seiner Heimat und nach der Besatzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht den Verlust der Heimat durch die Deutschen. Nur durch einen Zufall überlebte Leslie Schwartz nach der Deportation nach Auschwitz-Birkenau die Selektion, wohingegen seine Mutter und die beiden Schwestern ins Gas geschickt wurden. Von Auschwitz kam er später in das KZ Dachau und konnte nach der Tortur in einem so genannten „Todeszug“ mit zwei Luftangriffen verletzt durch die Amerikaner befreit werden.

Nach einer Einladung seines Onkels nach Amerika ging er zunächst nach New York City, wo er 1951 das erste Mal heiratete. Seine zweite Frau Annette, die er 1965 kennenlernte, stammt aus Münster und seither verweilt er öfter in Deutschland. Mittlerweile hält er Vorträge und Lesungen und sucht aktiv das Gespräch mit der jüngeren Generation. In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Jahr 2014 heißt es, er „empfinde für das heutige Deutschland nichts als Respekt“. Begleitet auf seiner diesjährigen Veranstaltungsreihe wird Leslie Schwartz durch Herrn Klaus Müller vom Verein Gegen Vergessen Für Demokratie e.V.

Publikum in der Mensa der RHS

Gebannt saßen die Schülerinnen und Schüler unserer 9. Klasse gemeinsam mit wenigen Gästen der Montessori-Schule aus Mühlheim in der Mensa und hörten zunächst einem kurzen Bericht von Leslie Schwartz über seine Erlebnisse als Junge zu. Anschließend schauten sie sich die Dokumentation des Bayrischen Rundfunks zum Mühldorfer Todeszug, in dem auch Leslie Schwartz als Junge eingepfercht war, an. Die Stimmung war gedrückt. Nach dem Film konnten die Schülerinnen und Schüler ihre Fragen an Leslie Schwartz richten, der ihnen – teils auf Deutsch, teils aber auch auf Englisch – antwortete und zum Abschluss beteuerte, dass ihm die Treffen mit jungen Menschen ein solches „Glücks“-Gefühl vermitteln, welches er hofft, bis zu seinem Tod nicht mehr missen zu müssen. 

Gerade Anlässe, wie „70 Jahre“ Frieden in Deutschland und das Erinnern an die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation, bieten für uns Schulen die besondere Gelegenheit, Schülerinnen und Schülern auch eine Erinnerungskultur mitzugeben. Diese ist Teil der pädagogischen Arbeit und somit für uns ein wichtiger Bestandteil im Unterricht. Umso erfreulicher war es, gerade an dem heutigen Tag einen Überlebenden der „Todesmaschinerie“ des Nationalsozialismus an unserer Schule empfangen zu dürfen. Denn Erinnerung ist für alle Menschen innerhalb der Gesellschaft wichtig, denn nur, wer sich erinnert, kann aus der Vergangenheit reflektierte Schlüsse ziehen und die Zukunft positiv und friedlich mitgestalten.

(Verfasserin: Myriam Andres, 10.05.2015)

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